Werkstattbesuch bei Steinbildhauerin Regina Schnersch im Marburger Südviertel
Text von Sabine Jackl / Freie Redakteurin / sjackl@gmx.de
Fotos: Videostills aus dem High-Five-Gespräch / Kamera: Chris Schmetz (behind-de-scenes) / Interview: JPG (Galerie JPG)
Konzentriert blickt sie auf die Marmormasse, die hüfthoch vor ihr auf einem Schemel platziert ist. Den Knüpfel in der Hand, hebt sie den rechten Arm, atmet kurz durch – und dann geht alles ganz schnell. Arm, Hand, Knüpfel sausen nieder ins steinerne Weiß, kleine Brocken fliegen funkengleich zu Boden. Schlag um Schlag findet Regina Schnersch in ihren Rhythmus, arbeitet sich von außen nach innen, stets im Bewusstsein, kaum Spielraum zu haben für Korrekturen: „Was weg ist, ist weg.“ Beim Besuch von „High-Five mit JPG“, einer Kooperation der Marburger Fotokünstler Jessica Petraccaro-Goertsches und Chris Schmetz mit der Kirchhainer Autorin Sabine Jackl stellt sich die Steinbildhauerin (1966 in Schotten geboren) nicht nur den fünf Interviewfragen dieses Kultur-trotz-Corona-Formats, sondern gewährt tieferen Einblick in ihr Schaffen. Nach langer Zeit in Rhein-Main fand sie vor drei Jahren Wohnung und Werkstatt im Marburger Südviertel und fühlt sich hier wohl, in einer Idylle zwischen Mühlgraben und der Lahn, „beschenkt von Weite, Natur und Energie“. Den schmalen Pfad vom Gartentor bis in den hinteren Teil des Grundstücks, wo der blaue Werkstattschuppen steht, säumen Skulpturen der vergangenen zehn Jahre. Ob kauernde Frauenfigur oder aufrechtes Segel: Sie transportieren Schnerschs wiederkehrende Thematik Bewegung, Balance und Leichtigkeit. Aktuell, in pandemischen Zeiten, beschäftigt sie sich zunehmend mit Isolation und Abgewandtheit.
Je mehr Widerstand ein Material bietet, desto besser, schwärmt sie. Für die Arbeit am Stein bevorzugt sie „manuelles Anfassen ohne Maschinen“. Sie nimmt wahr und schaut, was es in ihr auslöst. Dann zeichnet sie im „Dialog mit dem Stoff“ Linie um Linie auf, „das Gefühl für die Form habe ich im Kopf“. Bis zum ersten Schlag vergehen mitunter „viele, viele Stunden“, der Mut müsse groß genug sein, um die Linien zu arbeiten. Meist verfüge sie über Rohblöcke aus unterschiedlichen Gesteinsarten wie Basalt, Sandstein, Marmor, Granit, Labrador und – Diabas. „Den liebe ich“, lacht Regina Schnersch und macht keinen Hehl aus ihrer lebhaften Leidenschaft für harte Brocken.
Auch, wenn ihre Skulpturen bisweilen aussehen, als seien sie zusammengesetzt, sind sie doch aus einem Stück gearbeitet. Ihr Tagwerk beginne um neun Uhr, und sie sei erst zufrieden, wenn sie abends mit einem „Ja!“ ins Haus zurückkehren könne. Seit 20 Jahren ist Regina Schnersch freischaffende Künstlerin, ihr Werk ist mehrfach ausgezeichnet, sie hat ihren Kundenstamm, bestückt bundesweit Ausstellungen, und ist dennoch froh, ihre finanzielle Existenz durch einen Teilzeitjob in einer heilpädagogischen Werkstätte absichern zu können. „Das nimmt mir zwar Zeit, dient mir aber als Grundstock für meine Kreativität.“ Dazu gesellen sich Körperlichkeit, Kraft, Ausdauer, Geduld. Auch Spontaneität, mit der sie mühelos Antworten auf die fünf Fragen findet und zeigt: Hier realisiert eine Künstlerin ihr plastisches Werk und findet nicht minder plastische Worte dafür. Auch das eine Kunst. Und was genau hat es mit „High-Five“ auf sich?
Hier der Link zum Film:
https://www.youtube.com/watch?v=oHSb1hnGXn4&t=3s Riskieren Sie mal einen Klick. Oder fünf. INFOBOX High-Five mit JPG: In kurzen, digitalen Werkstattgesprächen stellen JPG (Interview) und Chris Schmetz (Kamera)
die Marburger Kreativszene vor. Interviewt wird im Atelier oder (Musik)Studio, die Fragen sind den Künstlern vorab nicht bekannt. Alle Videos werden auf dem YouTube-Kanal „High5 Galerie JPG und behind-de-scenes“ publiziert. Teamzuwachs Sabine Jackl unterstützt das Projekt journalistisch (Text).
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